Hintergrund und Anlass
der Anfrage:
Mit der Verabschiedung
des Kinderförderungsgesetzes (KiföG) wurde die Rechtsgrundlage für einen
Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab 1. August 2013 auch für Kinder
unter 3 Jahren geschaffen. Gleichzeitig stellte der Bund ein Sondervermögen
bereit, um Länder und Kommunen bei der Umsetzung zu unterstützen. In den Jahren
2008 bis 2013 stehen im Sondervermögen des Bundes insgesamt 2,15 Milliarden
Euro für Investitionen zur Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen und
Tagespflege für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung. Förderungsfähig sind
demnach Investitionen in Einrichtungen (Neu-, Aus- und Umbau oder die
Umwandlung, Sanierung, Renovierung, Modernisierung und Ausstattung von
Einrichtungen) sowie in der Kindertagespflege zur Schaffung und Sicherung von
Betreuungsplätzen. Die Investitionsmittel des Bundes werden durch die
Bundesländer nach landesspezifischen Richtlinien verwaltet und bewilligt. Eine
Beteiligung der Länder und Kommunen (Drittelung der Investitionskosten) muss
dabei erfolgen.
In der Öffentlichkeit
wurden in den letzten Monaten vermehrt Zweifel geäußert, ob der Rechtsanspruch
auf Betreuung und Förderung für Kinder unter 3 Jahren tatsächlich ab 1. August
2013 eingelöst werden kann. Der zweite Zwischenbericht zur Evaluation des
Kinderförderungsgesetzes der Bundesregierung sieht in vielen Regionen dringenden
Handlungsbedarf, um das Ausbauziel zu erreichen. Im September 2011 berichtete
die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ.NET 13.09.2011) über einen bereits
bestehenden akuten und sich verschärfenden Fachkräftemangel. Eine Studie im
Auftrag des DGB (Dr. Klaus Klemm: Drei Jahre nach dem Bildungsgipfel – eine
Bilanz) bilanzierte im Oktober 2011 neben noch fehlenden 273.000 Plätzen in
Tageseinrichtung und Tagespflege, dass „bis 2013 in den
Kindertageseinrichtungen etwa 8.800 und in der Kindertagespflege etwa 32.400
Personen fehlen werden.“ Klemm weiter: „Zusammenfassend lässt sich feststellen,
dass das Ausbauziel 35 Prozent kaum mehr erreichbar ist und dass das Ziel, im
erforderlichen Umfang Personal zu qualifizieren, absehbar unerreichbar ist.“
Ebenfalls im Oktober 2011, nämlich am 27. 10., meldete sich der Städtetag zu
Wort. Der Städtetag geht stellenweise von einem Betreuungsbedarf von 50 % - 60
% bei den U3-Jährigen aus, also einer wesentlich höheren Quote, als die von der
Bundesregierung angestrebten 35 %. Gleichzeitig weist er auf den bereits
bestehenden Fachkräftemangel hin. In der Folge erwartet der Städtetag, dass der
Rechtsanspruch auf Betreuung und Förderung der U3-Jährigen nicht gewährt werden
kann und befürchtet Schadensersatzklagen aus den betroffenen Familien.
Die
Folgen hat auch Mainz zu tragen, da die Stadt für die Gewährleistung des
Rechtsanspruches verantwortlich ist. Denn: Der Bund stellt zwar ein
Sondervermögen zur Verfügung und beteiligt sich auch ab 2013 an den
Kinderbetreuungskosten, allerdings nicht in ausreichendem Maße. Für alles
weitere fühlt sich der Bund nicht verantwortlich und verweist auf die
Zuständigkeit von Ländern und Kommunen. Die Länder wiederum verweisen auf die
Kommunen, die für die Umsetzung verantwortlich sind. Die Finanzlage unserer
Stadt hingegen ist so prekär, dass eine Umsetzung des Rechtsanspruches nicht
gestemmt werden kann. Inwieweit hierbei die Mittelweitergabe des Landes stockt,
bedarf einer weiteren Prüfung.
Für Mainz heißt das:
1. Der tatsächliche Betreuungsbedarf
wird deutlich über den von der Bundesregierung prognostizierten 35 % liegen.
Somit steht bereits jetzt fest, dass die Anzahl der Betreuungsplätze 2013 nicht
ausreichen werden.
2. Die von Land und Bund
bereitgestellten Mittel sind zu gering, um allein die von der Bundesregierung
angestrebte Betreuungsquote von 35 % zu erreichen.
3. Eine rein quantitative Erfüllung der
angestrebten Betreuungsquote von 35 % deutet auf massive qualitative
Umsetzungsprobleme bezüglich des Umfanges der Betreuungs- und Förderungsangebote
hin.
4. Es zeichnet sich ein massiver
Personalmangel ab.
5. Schon heute ist es schwierig,
bezahlbare Räumlichkeiten/Örtlichkeiten für die Einrichtung von
Betreuungsplätzen zu finden.
Über
den tatsächlichen Ausbauverlauf, die Probleme vor Ort und in den Ländern sowie
den tatsächlichen Betreuungsbedarf ist die Datenlage äußerst diffus. Die
Bundesregierung hält sich trotz des sich deutlich abzeichnenden Scheiterns
bedeckt, verweist auf die Zuständigkeit der Länder und nimmt, als einzige Handlung,
neue Hiobsbotschaften entgegen. Wir hingegen meinen, dass es gemeinsam, mit
allen geforderten Kommunen, einer großen Kraftanstrengung bedarf, um den
Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz Wirklichkeit werden zu lassen. Das
erfordert wiederum, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen müssen und
zuerst eine ordentliche Finanzausstattung der Kommunen geschaffen werden muss.
Wer einen Rechtsanspruch auf die Kinderbetreuung verankert, was wir begrüßen,
muss auch die Grundlagen schaffen, damit die Umsetzung gelingen kann, ohne dass
andere wichtige Bausteine der Kinder- und Jugendhilfe darunter leiden.
Die Bundestagsfraktion
DIE LINKE. hat eine Reihe an Fragen an die Bundesregierung entwickelt, um eine
zureichende Datengrundlage für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die
abzusehende Erfüllung der Finanzierungszusagen zu erheben. Die Bundesregierung
hat dazu erklärt, sie sei für eine Beantwortung nicht zuständig. Daher sind
jetzt die kommunalen Verwaltungen – auch im eigenen Interesse – gefragt, diese
Datengrundlage in wichtigen Details zu eruieren und im Einzelnen zu
beantworten. Vor diesem Hintergrund bedürfen die folgenden Fragen einer Antwort
durch die Verwaltung der Stadt Mainz (bitte keine Hinweise auf evtl. bereits
bestehende Erhebungen, sondern konkrete Beantwortung der Detailfragen).