Betreff
Stand des Ausbaus der Kita U3-Betreuung (DIE LINKE.)
Vorlage
0253/2012
Aktenzeichen
1201
Art
Anfrage (Stadtrat)

Hintergrund und Anlass der Anfrage:

 

Mit der Verabschiedung des Kinderförderungsgesetzes (KiföG) wurde die Rechtsgrundlage für einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab 1. August 2013 auch für Kinder unter 3 Jahren geschaffen. Gleichzeitig stellte der Bund ein Sondervermögen bereit, um Länder und Kommunen bei der Umsetzung zu unterstützen. In den Jahren 2008 bis 2013 stehen im Sondervermögen des Bundes insgesamt 2,15 Milliarden Euro für Investitionen zur Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen und Tagespflege für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung. Förderungsfähig sind demnach Investitionen in Einrichtungen (Neu-, Aus- und Umbau oder die Umwandlung, Sanierung, Renovierung, Modernisierung und Ausstattung von Einrichtungen) sowie in der Kindertagespflege zur Schaffung und Sicherung von Betreuungsplätzen. Die Investitionsmittel des Bundes werden durch die Bundesländer nach landesspezifischen Richtlinien verwaltet und bewilligt. Eine Beteiligung der Länder und Kommunen (Drittelung der Investitionskosten) muss dabei erfolgen.

 

In der Öffentlichkeit wurden in den letzten Monaten vermehrt Zweifel geäußert, ob der Rechtsanspruch auf Betreuung und Förderung für Kinder unter 3 Jahren tatsächlich ab 1. August 2013 eingelöst werden kann. Der zweite Zwischenbericht zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes der Bundesregierung sieht in vielen Regionen dringenden Handlungsbedarf, um das Ausbauziel zu erreichen. Im September 2011 berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ.NET 13.09.2011) über einen bereits bestehenden akuten und sich verschärfenden Fachkräftemangel. Eine Studie im Auftrag des DGB (Dr. Klaus Klemm: Drei Jahre nach dem Bildungsgipfel – eine Bilanz) bilanzierte im Oktober 2011 neben noch fehlenden 273.000 Plätzen in Tageseinrichtung und Tagespflege, dass „bis 2013 in den Kindertageseinrichtungen etwa 8.800 und in der Kindertagespflege etwa 32.400 Personen fehlen werden.“ Klemm weiter: „Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Ausbauziel 35 Prozent kaum mehr erreichbar ist und dass das Ziel, im erforderlichen Umfang Personal zu qualifizieren, absehbar unerreichbar ist.“ Ebenfalls im Oktober 2011, nämlich am 27. 10., meldete sich der Städtetag zu Wort. Der Städtetag geht stellenweise von einem Betreuungsbedarf von 50 % - 60 % bei den U3-Jährigen aus, also einer wesentlich höheren Quote, als die von der Bundesregierung angestrebten 35 %. Gleichzeitig weist er auf den bereits bestehenden Fachkräftemangel hin. In der Folge erwartet der Städtetag, dass der Rechtsanspruch auf Betreuung und Förderung der U3-Jährigen nicht gewährt werden kann und befürchtet Schadensersatzklagen aus den betroffenen Familien.

 

Die Folgen hat auch Mainz zu tragen, da die Stadt für die Gewährleistung des Rechtsanspruches verantwortlich ist. Denn: Der Bund stellt zwar ein Sondervermögen zur Verfügung und beteiligt sich auch ab 2013 an den Kinderbetreuungskosten, allerdings nicht in ausreichendem Maße. Für alles weitere fühlt sich der Bund nicht verantwortlich und verweist auf die Zuständigkeit von Ländern und Kommunen. Die Länder wiederum verweisen auf die Kommunen, die für die Umsetzung verantwortlich sind. Die Finanzlage unserer Stadt hingegen ist so prekär, dass eine Umsetzung des Rechtsanspruches nicht gestemmt werden kann. Inwieweit hierbei die Mittelweitergabe des Landes stockt, bedarf einer weiteren Prüfung.

 

Für Mainz heißt das:

 

1. Der tatsächliche Betreuungsbedarf wird deutlich über den von der Bundesregierung prognostizierten 35 % liegen. Somit steht bereits jetzt fest, dass die Anzahl der Betreuungsplätze 2013 nicht ausreichen werden.

2. Die von Land und Bund bereitgestellten Mittel sind zu gering, um allein die von der Bundesregierung angestrebte Betreuungsquote von 35 % zu erreichen.

3. Eine rein quantitative Erfüllung der angestrebten Betreuungsquote von 35 % deutet auf massive qualitative Umsetzungsprobleme bezüglich des Umfanges der Betreuungs- und Förderungsangebote hin.

4. Es zeichnet sich ein massiver Personalmangel ab.

5. Schon heute ist es schwierig, bezahlbare Räumlichkeiten/Örtlichkeiten für die Einrichtung von Betreuungsplätzen zu finden.

 

Über den tatsächlichen Ausbauverlauf, die Probleme vor Ort und in den Ländern sowie den tatsächlichen Betreuungsbedarf ist die Datenlage äußerst diffus. Die Bundesregierung hält sich trotz des sich deutlich abzeichnenden Scheiterns bedeckt, verweist auf die Zuständigkeit der Länder und nimmt, als einzige Handlung, neue Hiobsbotschaften entgegen. Wir hingegen meinen, dass es gemeinsam, mit allen geforderten Kommunen, einer großen Kraftanstrengung bedarf, um den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz Wirklichkeit werden zu lassen. Das erfordert wiederum, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen müssen und zuerst eine ordentliche Finanzausstattung der Kommunen geschaffen werden muss. Wer einen Rechtsanspruch auf die Kinderbetreuung verankert, was wir begrüßen, muss auch die Grundlagen schaffen, damit die Umsetzung gelingen kann, ohne dass andere wichtige Bausteine der Kinder- und Jugendhilfe darunter leiden.

 

Die Bundestagsfraktion DIE LINKE. hat eine Reihe an Fragen an die Bundesregierung entwickelt, um eine zureichende Datengrundlage für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die abzusehende Erfüllung der Finanzierungszusagen zu erheben. Die Bundesregierung hat dazu erklärt, sie sei für eine Beantwortung nicht zuständig. Daher sind jetzt die kommunalen Verwaltungen – auch im eigenen Interesse – gefragt, diese Datengrundlage in wichtigen Details zu eruieren und im Einzelnen zu beantworten. Vor diesem Hintergrund bedürfen die folgenden Fragen einer Antwort durch die Verwaltung der Stadt Mainz (bitte keine Hinweise auf evtl. bereits bestehende Erhebungen, sondern konkrete Beantwortung der Detailfragen).