Begründung:
Es gibt verschiedene Aspekte, von denen wir als
Kommune direkt betroffen wären:
1. Demokratie und Transparenz
Unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit
finden derzeit zwischen der EU und den USA Verhandlungen zum Transatlantischen
Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership)
statt. Während nicht einmal die EU-Abgeordneten uneingeschränkten Zugang zu den
Dokumenten haben, können 600 Vertreter von Großkonzernen unmittelbaren Einfluss
nehmen. Und obwohl Städte und Kommunen direkt betroffen sind, werden die
kommunalen Spitzenverbände (Städte- und Gemeindetag sowie Landkreistag) nicht
in die Verhandlungen eingebunden. Das entspricht nicht unserem Verständnis von
Demokratie. Vielmehr muss die Einbeziehung in die Verträge so frühzeitig
erfolgen, dass die Gestaltungsfähigkeit gegeben ist.
Daher fordern wir für die kommunalen Spitzenverbände
einen vollständigen Einblick in alle Verhandlungsdokumente sowie die
Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände in die Verhandlungen. Dies gilt für
TTIP, CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement zwischen Europa und
Kanada) und TiSA (Trade in Services Agreement).
2. Investitionsschutz für Konzerne
Internationale Konzerne erhalten ein Sonderklagerecht
gegen demokratisch beschlossene Gesetze. Zwischen Staaten mit funktionierendem
Rechtssystem ist eine Investitions-schutzklausel überflüssig. Vielmehr stellen
„private Schiedsgerichte“ ein Parallelrechtssystem dar, das grundlegende
Prinzipien des Rechtsstaates unterläuft und Konzerne mächtiger macht als
demokratisch gewählte Regierungen.
Da sogar die Beschlüsse von Städten und Gemeinden Anlass
für solche Klagen sein können, würde dies dazu führen, dass wir uns in
vorauseilendem Gehorsam bei jeder unserer Beschlüsse überlegen müssten, ob sie eventuell
die Gewinnerwartungen eines Konzerns schmälern würden und somit eine Klage
gegen den Staat nach sich ziehen könnten. Angesichts der Tatsache, dass in den
letzten Jahren die Anzahl der Investor-Staat-Klagen sprunghaft angestiegen ist,
stellen wir die Frage, wie viele solcher Klagen sich ein Staat oder eine Stadt
leisten kann? Wer bezahlt? Der Bund oder die Stadt?
Einen solchen Eingriff in unsere kommunale
Entscheidungshoheit lehnen wir entschieden ab.
3. Kommunale Daseinsvorsorge, öffentliches Beschaffungswesen,
Dienstleistungssektor und Kommunale Selbstverwaltung
Kommunale Daseinsvorsorge (z.B. Wasser- und
Abwasserversorgung, Energie):
Da bei diesen Arten von Handelsabkommen typischer
Weise die Regeln zum grenzüber-schreitenden Handel mit Dienstleistungen und der
Schutz ausländischer Investoren im Fokus stehen, ist zu befürchten, dass sie
sich negativ auf die Organisationshoheit unserer Stadt/unserer Gemeinde/unseres
Landkreises und unsere Handlungsautonomie auswirken.
Öffentliches Beschaffungswesen:
TTIP, CETA und TiSA würden unsere kommunale Organisationsautonomie
gefährden. Unsere mittelständischen Unternehmen dürften nicht mehr bevorzugt
werden. Dadurch käme es zu einer Minderung der Gewerbesteuereinnahmen und einer
Schwächung der lokalen Unternehmen.
Dienstleistungssektor (Bauwesen, Transportwesen,
Gesundheit, soziale Dienstleistungen…):
Immer mehr Bereiche des öffentlichen
Dienstleistungssektors werden zum „allgemeinen wirtschaftlichen Interesse“
deklariert. Dadurch werden die Gebietskörperschaften gezwungen, diese gemäß
einer „Marktzugangsverpflichtung“ im Wettbewerbsverfahren auszuschreiben. Das
Gemeinwohl muss in diesen sensiblen Bereichen weiterhin im Vordergrund stehen.
Kommunale Selbstverwaltung:
Obwohl die EU laut Lissabon-Vertrag und gemäß
Subsidiaritätsprinzip nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen darf,
duldet die Bundesregierung mit den Verträgen diesen Gesetzesübertritt und
befördert ihn sogar noch.
4. Stillstandsklausel und Ratchet-Klausel
Alle drei Handelsabkommen enthalten sowohl die Stillstands-,
wie auch die Ratchetklausel. Die Stillstandsklausel legt fest, dass nach
Einigung auf einen Status der Liberalisierung dieser nie wieder aufgehoben
werden darf. Die Ratchetklausel besagt, dass ein staatliches Unternehmen, wie
etwa das Wasserwerk, das einmal von einem privaten Investor gekauft wurde,
niemals wieder rekommunalisiert werden darf. Solche „Endgültigkeitsklauseln“
lehnen wir als Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung ab.
Mehrere deutsche Kommunen und Kreistage haben bereits
Resolutionen und Moratorien erarbeitet. Darunter Bremen, Erkrath, Freiburg,
Fürstenfeldbruck, Fürth, Groß-Gerau, Kassel, Main-Kinzig-Kreis, Marburg,
Oldenburg, Potsdam, Weißenhorn, Hilpoltstein.
Weitere Begründung erfolgt mündlich.