Betreff
Mainz holt sich die Stadt zurück: In eine sozial-ökologische Zukunft investieren! - Haushaltsbegleitantrag (DIE LINKE)
Vorlage
1688/2022
Art
Antrag (Stadtrat)

Begründung: Mainz holt sich die Stadt zurück: In eine sozial-ökologische Zukunft investieren!

Das Geld muss im Alltag der Mainzer:innen ankommen! Der Stadtrat berät für 2023/2024 einen Haushalt, den vor wenigen Jahren niemand für möglich gehalten hatte. Durch die gewaltigen Gewinne der Biotechnologie kann die Landeshauptstadt nun mit größerer Freiheit gestalten als zuvor. Dabei wird aber auch klar, dass Mainz sich nicht durch seine schädliche Kürzungspolitik fiskalisch befreit hat. Die Spar- und Rotstiftpolitik, die gleichermaßen von GRÜNEN, CDU, SPD und FDP propagiert wurde, hat den Menschen in Mainz viel abverlangt. Höhere Abgaben, Steuern und Beiträge, eine vernachlässigte Infrastruktur und Privatisierungen, die sich bis heute als schädlich erwiesen haben. Der neue Spielraum im städtischen Haushalt schafft nun endlich die Gelegenheit, die Stadt für die Mainzer:innen zurückzuerobern und die Lebensqualität aller zu steigern. Dabei will das Geld klug angelegt sein und muss daher für die drängendsten Probleme der Stadtgesellschaft eingesetzt werden.

Wer Mainz gestalten, Wohnraum schaffen, Umwelt schützen, Kinder unterstützen, Kultur fördern, Wirtschaft ermöglichen und Vielfalt leben will, muss über Mainzer Grund und Boden verfügen. Daher hat die Rekommunalisierung von Grund und Boden oberste Priorität. Schluss mit den Zeiten, in denen wir frisch verkaufte Grundstücke für Horrorbeträge zurückmieten mussten, um Kitas zu bauen und Geflüchtete zu beherbergen. Es ist unklar, wie lange die Gewerbesteuereinnahmen für Mainz so hoch bleiben werden, daher muss jetzt unverzüglich eine weitreichende Bodenpolitik eingeplant werden. Der freie Markt hat gezeigt, dass er nicht für erschwingliche Mieten in Mainz sorgen kann. Daher kann nur die Kommune in Zusammenarbeit mit einer nicht-profitorientierten Wohnbau Abhilfe schaffen und den Wohnungsmarkt zu Gunsten der Mainzer:innen formen. Auch dafür braucht es Grundstücke, die von einer erstarkten Wohnbau bewirtschaftet werden sollen.

Doch auch Maßnahmen, die sofort für Entlastung sorgen, werden benötigt und sind jetzt möglich. Eine weitreichende und günstige Möglichkeit den ÖPNV zu nutzen zeigte im Sommer 2022 das 9€-Ticket. Mainz hat die Möglichkeit, diese Erfolgsgeschichte fortzuführen.

Bildung ist ein wichtiges Gut in einem ressourcenarmen Land. Leider bekommen diejenigen, die Bildung vermitteln und ermöglichen oftmals nicht die notwendige Anerkennung die ihnen zusteht. Die Stadt sollte in ihre Zukunft investieren und den jüngsten Mainzer:innen einen optimalen Start ins Leben bescheren. Dafür ist es notwendig, dass an den Bildungseinrichtungen wie Schulen und Kitas jetzt Verhältnisse geschaffen werden, die für ausreichende und motivierte Beschäftigte sorgen, die unsere Kinder begleiten.

Zur Zukunft gehört ohne Zweifel auch eine Stadtgesellschaft, die zur Begrenzung der Erderwärmung beiträgt und mit den Auswirkungen des Klimawandels umzugehen weiß. Die Herausforderungen für unsere städtische Fauna und Flora sind in den letzten Jahren enorm gewachsen. Die Verantwortung der Grünpflege überschreitet ihr Wachstum der letzten Jahre um ein Vielfaches. Eine Investition in unsere Grünpflege ist eben auch eine Investition in die Zukunft.

Mainz muss sozialer und ökologischer wenden. Anstelle von Prestigeprojekten und unwirtschaftlicher Hamsterei schlagen wir als LINKE Investitionen in die Zukunft der Stadt vor. Für einen sozialökologischen Wandel.

 

1.   Größte Priorität für den Bildungsweg der Jüngsten

Die Lage an den kommunalen Mainzer Kitas ist hochproblematisch. Viele Kolleg:innen sind überarbeitet und leiden unter dem erheblichen Personalmangel. Viele Krankmeldungen und Abgänge an den Kindertagesstätten zeigen, dass die bisherige Strategie der Stadtverwaltung nicht funktioniert. Anstelle von Kino- und Radiowerbung brauchen die Beschäftigten echte Aufwertung. Zwar ist Bezahlung allein nicht alles, aber auch kein zu vernachlässigender Bestandteil einer Arbeit bei der Stadt Mainz. Hinzu kommt, dass durch attraktivere Bezahlung zusätzliche Kolleg:innen angestellt werden können, die das Bestandspersonal, welches am Belastungslimit arbeitet, entlasten. Darüber hinaus zahlt die Landeshauptstadt derzeit jährlich bis zu 1.000.000 Euro Kosten an Eltern aus, die keinen Kitaplatz in Anspruch nehmen können – meist aus Personalmangel an den Kitas. Daher soll der Beruf der Erzieher:innen und Kinderpflegerinnen in Mainz finanziell aufgewertet werden. Die Stadtverwaltung erhöht die Personalkosten an den Kitas um jährlich 3.500.000 Euro, um eine Höhergruppierung der Erzieher:innen in die Entgeltstufe 8b und für die Kinderpfleger:innen in die Entgeltgruppe 4 zu ermöglichen.
 

2. Flächendeckende Schulsozialarbeit

Dass Schulsozialarbeit zu einem wichtigen Bestandteil des schulischen Alltags geworden ist, wird kaum noch von jemandem bestritten. Doch können noch lange nicht alle Schulen auf Schulsozialarbeit bauen. Eine flächendeckende und dauerhaft sichergestellte Schulsozialarbeit ist über die bisherigen Wege nicht möglich. Obwohl Schulsozialarbeit immer wichtiger wird, findet sie in Mainz nicht ausreichend statt und ist im Haushaltsentwurf nur mit 500.000 Euro bedacht. Dabei fehlt beispielsweise an Gymnasien die Schularbeit fast komplett. Eine Anfrage der Linksfraktion hat ergeben, welche Investitionen notwendig wären, um Schulsozialarbeit flächendeckend in Mainz zu etablieren: Aktuell werden ca. 130 Vollzeitäquivalente in Mainz benötigt. Daher beschließt der Stadtrat für 2023 und 2024 jeweils 10.000.000 Euro für die Schulsozialarbeit an Mainzer Schulen.

 

3. Gute und günstige Mobilität ist möglich – der Sommer hat es gezeigt

Das 9€-Ticket war für die Mainzer:innen eine enorme finanzielle Entlastung in Zeiten der aktuellen und andauernden Teuerungskrise. Zudem war eine leichte Entspannung der Verkehrssituation erkennbar. Doch wegen einer 3-monatigen Aktionsphase ändern sich noch keine Gewohnheiten und schaffen die wenigsten Menschen ihre Privatfahrzeuge ab.

Um dieses Ziel zu erreichen und die Mainzer:innen ganz direkt an den Steuereinnahmen teilhaben zu lassen, fordern wir, das 9€-Ticket durch einen Zuschuss weiterzuführen.

Werden die bisherigen ca. 60.000 Nutzenden des 9€-Tickets mit jeweils 40 Euro pro Monat beim Kauf eines sogenannten Deutschlandtickets (für 49 Euro) bezuschusst, so ergibt sich daraus ein Posten von 28.800.000 Euro pro Jahr. Weitere 2.000.000 Euro sollen bereitgestellt werden, um für alle ca. 18.000 Mainzer Sozialticketberechtigten weitere 9 Euro pro Monat vorzuhalten, sodass diese den ÖPNV zum Nulltarif nutzen können. Insgesamt sind dafür pro Jahr 30.000.000 Euro in den Haushalt einzustellen.

Selbstverständlich ist auch darauf zu achten, dass die Beschäftigten im ÖPNV fair bezahlt werden. Der Ausbau der Bus- und Bahnstrecken in den ländlichen Raum ist fortzuführen und die Taktung der Fahrten zu erhöhen.

 

4. Fit für die Zukunft – nachhaltige Investitionen in Klima- und Umweltschutz

a.                  Die Klimakatastrophe macht nicht vor den Toren unserer Stadt Halt. Daraus ergibt sich einerseits die Herausforderung, sich an die Auswirkungen anzupassen, und andererseits, die Klimaerhitzung nach all unseren Möglichkeiten zu begrenzen. Mainz hat mit dem Masterplan 2.0 bereits einige sinnvolle Maßnahmen angestoßen, doch damit Klimaschutz wirklich als Querschnittsaufgabe zwischen allen städtischen Ämtern verstanden werden kann, Klimaschutzauflagen konsequenter kontrolliert werden können, bereits begonnene Projekte schneller vorangetrieben werden und zudem neue Maßnahmen entwickelt werden können, fehlt es noch an personeller Ausstattung. Dafür sind 150.000 Euro in den Haushalt einzustellen.
 

b.                 Um die Mainzer Pflanzenwelt, allem voran die Bäume und Sträucher in der Mainzer Innenstadt, während Hitzeperioden zu schützen, sind im Grün- und Umweltamt weiteres Personal sowie Bewässerungsfahrzeuge und Gerätschaften für die Grünpflege dringend nötig. Hierfür sind die Mittel um 20% zu erhöhen (5.000.000 Euro).
 

c.                  Stark frequentierte Grünflächen, die der Naherholung dienen, sind in den vergangenen Jahren häufig zu staubtrockenen Sandwüsten verkommen. Hier reicht die gelegentliche Bewässerung durch ein Fahrzeug nicht aus. Die Plätze (z. B. Frauenlobplatz, Goetheplatz, Aufenthaltsflächen am Rheinufer) müssen mit Bewässerungssystemen ausgerüstet werden. Hierfür sind 1.000.000 Euro im Haushalt einzuplanen.

 

5. Keine Profite mit der Miete! Platz da für Kultur!

Die Stadt Mainz leidet darunter, dass die Mieten ständig steigen. Die Versuche der Ampelregierung, den Wohnungsmarkt zu bändigen, sind kläglich gescheitert. Mainz gehört jetzt schon zu den teuersten Städten der Bundesrepublik und eine absehbare Erweiterung des Biotechnologiestandorts wird dazu führen, dass sich die Wohnungsmarktlage durch Zuzug von Gutverdienenden weiter verschärft. Daher muss die wohnungspolitische Wende der Stadt mit der einmaligen Chance der neuen Haushaltsplanung eingeleitet werden.

Mit dem Erwerb von Wohnungen ohne Gewinnerzielungsabsicht können die Wohnungen dem Marktgeschehen entzogen werden. Gleichbleibende Mieten garantieren, dass die Mietpreisspirale durch die neuentstehenden Wohnungen nicht zusätzlich angeheizt wird. Will die Stadt also kurz-, mittel- oder langfristig den Gebäudebestand der Wohnbau erhöhen, sollte sie besser jetzt als in Zukunft in Immobilien investieren.

Rücklagen für schlechtere Zeiten zu bilden ist vor diesem Hintergrund nicht notwendig. Selbst wenn die Gewerbesteuereinnahmen mittelfristig einbrechen sollten, könnten die erworbenen Grundstücke dann immer noch veräußert werden. Die Stadt steht dann jedenfalls nicht schlechter da als bei einer Anlage am Kapitalmarkt. Im Haushalt 2023 und im Haushalt 2024 werden jeweils 100 Millionen Euro für den Erwerb von Grundstücken vorgesehen, auf denen sich hauptsächlich Wohnbebauung befinden soll oder auf denen Geschosswohnungsbau betrieben werden kann.

Die Grundstücke können zum Beispiel der Wohnbau Mainz GmbH zur Bewirtschaftung überlassen werden, wobei die Maßgabe gilt, dass mit den gekauften oder zu errichtenden Wohnungen keine Gewinne erwirtschaftet werden dürften. Aus den Mieteinnahmen, die nicht für Zins und Tilgung etwaiger Baudarlehen sowie laufende Kosten aufgebraucht werden, dürfen Instandhaltungs- und Investitionsrücklagen gebildet werden. Sofern nach Amortisation mit den Mieteinnahmen Überschüsse erwirtschaftet werden, dürfen diese zweckgebunden zum Erwerb von Grund und Boden, zum Zweck der Errichtung von Wohnungen oder zum Erwerb von Geschosswohnungsgebäuden verwendet werden. Die aus den zweckgebundenen Geldern erworbenen Immobilien sind nach den vorigen Grundsätzen zu bewirtschaften. Erfolgt trotz Überschüssen aus Mieteinnahmen keine Investitionstätigkeit, müssen Mietminderungen durchgeführt werden. So kann in Mainz ein Mietmarkt entstehen, der es Menschen mit durchschnittlichen Einkommen ermöglicht, in Mainz zu bleiben oder nach Mainz zu kommen. Die Vertreibung von Menschen mit kleinem Geldbeutel muss gestoppt werden.

In Mainz fehlt es an Räumlichkeiten für bildende Künstler:innen und Musiker:innen. Es fehlt an Ateliers, Proberäumen, Ausstellungs- und Auftrittsmöglichkeiten.

Andererseits gibt es beispielsweise die Dragonerkaserne: Sie steht seit mehreren Jahren leer, wird zunehmend baufällig und ist denkmalschützenswert (s. AZ vom 14.11.2022). Sie steht in einem Gebiet, das von der Eisenbahnschiene, zwei Busdepots bzw. -parkplätzen und gewerblicher Nutzung umgrenzt ist. Neben dem vorhandenen Gebäude gehört noch eine große Freifläche zu der Immobilie, die Platz für Erweiterungen und Open Air-Veranstaltungen lässt. Das Gebäude ist zur Einrichtung eines größeren Veranstaltungsraumes sowie Proberäume und Ateliers geeignet. Somit kann die Stadt Mainz zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wenn sie das Gelände erwirbt: Sie kann die schützenswerte Immobilie retten und Platz für Künstler:innen schaffen.

Sollte der Erwerb der Dragonerkaserne nicht möglich sein, kann das Geld für eine andere Fläche/eine andere Immobilie eingesetzt werden.

 

6. Niemand wird zurückgelassen – Fallkonferenzen und Behandlungsfonds für Kranke in Not

Deutschland leidet unter einer Klassenmedizin. Neben den gewaltigen Unterschieden zwischen Privat- und Kassenpatient:innen gibt es noch diejenigen, die komplett durch das Raster fallen und gar keine Krankenversicherung haben. Dies kann aus den unterschiedlichsten Gründen geschehen. Zum Beispiel geraten Haftentlassene oder Selbstständige schnell ins Krankenkassenabseits. Die Landeshauptstadt soll daher sogenannte Fallkonferenzen schaffen, in denen entsprechende Fälle von Menschen ohne Krankenversicherung mit den verschiedenen zuständigen Trägern diskutiert, und Lösungen gefunden werden können. Finanziell kann die Schaffung von einem Behandlungsfonds sogar eine Entlastung für die Stadt bedeuten, da viele schwere und chronische Krankheitsverläufe und Notfälle, die bisher schon vom Sozialamt bezahlt werden, durch Maßnahmen zur Vorbeugung, frühen Diagnostik und Behandlung verhindert werden können. Ein ähnliches Modell ist in der Bundesstadt Bonn vorzufinden. Dort belaufen sich die jährlichen Kosten auf ca. 300.000 Euro. Mainz dürfte aufgrund einer geringeren Einwohner:innenzahl weniger Mittel benötigen. Nichtsdestotrotz muss Geld in die Hand genommen werden, damit niemand zurückgelassen wird. Gesundheit ist ein Menschenrecht und dies sollte auch in Mainz vorgelebt werden.

Die Stadt beschließt 200.000 Euro für die Schaffung und Durchführung von regionalen Fallkonferenzen sowie zur Behandlung von Menschen ohne Krankenversicherung