Begründung
Die Stadt Mainz und die Mainzer Kommunalpolitik wurden
in den letzten Jahren durch die Wohnbauaffäre und andere Skandale nachhaltig in
ihrer Glaubwürdigkeit erschüttert. Viele Bürgerinnen und Bürger haben das
Vertrauen verloren und distanzieren sich von den handelnden Akteuren in
Stadtrat und Verwaltung. Dies führt zu einer Politikverdrossenheit, die die
gemeinsame Bewältigung der vergangenen Fehler deutlich erschwert. Die Aufgabe
des Mainzer Stadtrats ist es nunmehr wieder Vertrauen und Glaubwürdigkeit
herzustellen. Dazu bedarf es eines deutlich transparenteren Politikstils und
einer Stärkung der direkten Demokratie.
Mehr Transparenz:
Die Live-Übertragung von Stadtratssitzungen im
Internet verursacht einen Kostenaufwand in Höhe von ca. 1000 bis 1500 Euro je
Sitzung. Dies ist ein Betrag, den wir angesichts des Nutzens für die Mainzer
Bürgerinnen und Bürger investieren sollten. Sie können so – auch wenn Sie an
einem persönlichen Besuch der Ratssitzungen gehindert sind – die
Entscheidungsfindung zu für sie interessante Tagesordnungspunkte einfach und
ungefiltert verfolgen. Durch das Medium Internet könnten vor allem auch die
jüngeren Generationen verstärkt angesprochen werden.
Die Zweiteilung der
Einwohnerfragestunde wurde von unserer Fraktion bereits im vergangenen Jahr
beantragt. Der Stadtrat hatte diesen Antrag in den Haupt- und Personalausschuss
verwiesen, wo er leider bis heute nicht behandelt wurde. Es existiert kein
Grund, diesen Punkt direkt und ohne den Umweg über den Ausschuss zu
beschließen. Er ist kostenneutral und leicht umsetzbar. Bedenken, dass eine
vorgezogene Einwohnerfragestunde die anschließende Antragsberatung beeinflussen
könnte, sind abwegig: Eine solche Beeinflussung durch sinnvolle Fragen der
Bürger ist aus unserer Sicht sogar wünschenswert. Darüber hinaus ist es
realitätsfern, zu denken, dass die Entscheidungen des Stadtrates unbeeinflusst
durch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Mainz getroffen werden.
Selbstverständlich bestehen diverse Kontakte der Fraktionen zu den Mainzerinnen
und Mainzern auch im Vorfeld der Ratssitzungen und zu spezifischen Antragsthemen.
Dies ist gelebte Bürgernähe, die sich durch eine Zweiteilung der
Einwohnerfragestunde noch deutlich intensivieren ließe.
Die politische
Aufarbeitung diverser Skandale, die die Stadt Mainz in den vergangenen Jahren
erschüttert haben, ist bis heute nicht erfolgt. Dabei ist es leider auch nicht
so, als sei nach der Wohnbaukrise eine intensivere Achtsamkeit gegenüber
möglicher Korruption gewachsen. Mainz ist hier ganz offenbar auf eine Art
„Entwicklungshilfe“ angewiesen. Diese sollten wir aus eigenem Interesse aber
auch als positives Zeichen an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Mainz aktiv
einfordern. Wir schlagen darum erneut den Weg über Transparency International
vor. Ein Verhaltenskodex für die Stadtratsmitglieder, wie ihn die Ampel vor
einem Jahr beantragt hat, ist dabei viel zu kurz gesprungen. Es geht hier nicht
nur um den Stadtrat, sondern – wie uns die vergangenen Jahre gelehrt haben –
auch um den Stadtvorstand, die städtischen und stadtnahen Gesellschaften oder
die Verwaltung im engeren Sinne. Daher reicht auch die geplante Erweiterung.
Unsere Stadt braucht eine ganzheitliche Aufarbeitung und Neuausrichtung –
kompetente Hilfestellung hierbei kann uns Transparency International bieten.
Mehr Demokratie:
Seit Jahren fordern wir eine deutliche Stärkung der
Kompetenzen der Ortsbeiräte. Der dazu gebildete interfraktionelle Arbeitskreis
hat hierzu bisher keine greifbaren Ergebnisse als Beschlussvorlage in den
Stadtrat einbringen können. Wie wichtig die Stärkung der Kompetenzen der
Ortsbeiräte ist, wird gerade in den Bereichen Bauleitplanung, Verkehr sowie im
Schul- und Kulturbereich immer wieder deutlich. Ziel muss es sein, die
Ortsbeiräte im Hinblick auf Ihre Kompetenzen den Ausschüssen des Stadtrates
gleich zu stellen. Dies ermöglicht eine eigenständige Realisierung von Projekten
vor Ort.
Ein
Kommunaler Bürgerhaushalt für Mainz trifft auf die grundsätzliche Zustimmung
aller Fraktionen im Rat. Wir hatten Anfang 2010 einen entsprechenden Antrag zur
schnellstmöglichen Einführung dieses wichtigen Instruments der
Bürgerbeteiligung gestellt. Dieser Antrag wurde zur weiteren Beratung
einstimmig in den Finanzausschuss verwiesen. Aber auch hier bleiben greifbare
Ergebnisse bis heute aus. Auch die „Ampel-Koalition“ hat in ihrem
Koalitionsvertrag festgeschrieben: „Wir werden den Bürgerhaushalt
weiterentwickeln, um mehr Beteiligung zu ermöglichen.“ Gleichzeitig wird diese
Forderung aber wieder eingeschränkt: „Sobald ein Bürgerhaushalt mit der
Einführung der Doppik vereinbar ist, soll ein Teil des öffentlichen Haushalts
durch ein partizipatives Haushaltsberatungsverfahren in enger Verzahnung mit
der Verwaltung aufgestellt werden.“ Wir haben bereits mehrfach zum Ausdruck
gebracht, dass das Projekt stattdessen umgehend auf den Weg gebracht werden
muss, damit es – sobald es auch mit der Doppik vereinbar ist – direkt
durchstarten kann und nicht erst dann Projektvorbereitungen beginnen.
Bürgerbegehren
und Bürgerentscheide sind auf kommunaler Ebene ein seltenes Mittel. Der Grund
hierfür sind zu hohe Hürden und ein kompliziertes Verfahren. Erleichterungen,
wie sie das Konzept von „Mehr Demokratie“ vorschlägt, könnten eine lebendige
direkte Demokratie in unserer Stadt fördern. Gerade Entscheidungen mit
zentraler Bedeutung für unsere Stadt könnten durch ein unmittelbares Votum der
Bürgerinnen und Bürger auf eine breite Basis gestellt werden.