Die Verwaltung hat mit einem Sachstandsbericht 0966/2009
zur Stadtratssitzung am 23.09.2009 Stellung zu einem Antrag auf Änderung der
Kehrsatzung genommen. Der Antrag 0826/2009 auf Änderung der Kehrsatzung wurde
in der Sitzung des Stadtrates am 29.04.2009 mit zwei Ergänzungsanträgen
einstimmig angenommen. Die Verwaltung wurde in dem Antrag gebeten, eine
Änderung der Kehrsatzung zu überprüfen mit dem Ziel, die jahrzehntelang
bewährte Kostenverteilung wiederherzustellen und dem Stadtrat einen
entsprechenden Vorschlag vorzulegen.
Der Sachstandsbericht der Verwaltung zum genannten Antrag
ist nicht zielführend, da er die Beibehaltung des bestehenden
Reinigungskonzepts vorschlägt und keinerlei Alternativen im Sinne der Anträge
aus der Ratssitzung vom 29.04.2009 vorsieht.
Der Mainzer Vorort Lerchenberg wurde seinerzeit als
Demonstrativbaumaßnahme mit Fördermitteln des Bundes und des Landes errichtet.
Der Einsatz zweckgebundener öffentlicher Finanzierungsmittel war mit der
Auflage verbunden, das Großprojekt nach den „Grundsätzen für
Demonstrativbauvohaben“ durchzuführen. Diese Grundsätze enthielten Anforderungen
an eine neuzeitliche städtebauliche Planung, eine wirtschaftliche Erschließung,
ein gesundes Wohnen, eine rationelle Baudurchführung und eine sinnvolle
Zusammenarbeit aller Beteiligten. Die städtebaulich verdichtete Gestaltung des
Lerchenbergs mit weitgehend fußläufigen Verbindungen und ein auf das
Notwendigste reduzierte Verkehrskonzept wurden diesen Anforderungen gerecht.
Zur Absicherung der Auflagen wurde eine Reihe von
Ordnungsinstrumenten geschaffen. Hierzu zählen die Antennensatzung, die Gestaltungssatzung,
die Heizungssatzung, die Kehrsatzung und die Müllgemeinschaften. Die
Lerchenberger sind also in eine Reihe von Pflichten eingebunden, die die
besondere Verflechtung der Siedler untereinander dokumentieren.
Auf dem Lerchenberg gibt es in dieser Dimension einmalig
in Mainz ein Wohnwegesystem, dessen Funktion von wenigen Verkehrsstraßen
abhängt. Es gibt ganz überwiegend Hinterlieger und nur eine Minderzahl
Vorderlieger. Die in der Kehrsatzung aufgelisteten Erschließungsstraßen dienen
keineswegs nur den Vorderliegern, sondern sind Voraussetzung zum Erreichen, Ver- und Entsorgen und Unterhalten der
Hinterliegergrundstücke. Die Verkehrsstraßen werden schon alleine durch die
Überzahl der Hinterlieger von diesen mehr genutzt als von den Vorderliegern, sei
es durch Inanspruchnahme als Parkraum, Lieferantenanfahrt,
Abstellplatz für Baugeräte, Schuttcontainer etc. Die
Hinterlieger nutzen und verschmutzen die Zubringerstraßen mehr als die
Vorderlieger, ganz anders als im Finther Präzendensfall, der durch eine
verkehrstechnisch volle Erreichbarkeit gekennzeichnet ist. Zudem sind die
Hinterlieger von den vielfachen Belastungen der Vorderlieger wie Verkehrslärm,
Abgasen, Feinstaub etc. nicht betroffen sondern profitieren vom Grün der
Vorderlieger.
Fast 40 Jahre wurden Vorder- und Hinterlieger gleich behandelt und völlig zu Recht gemeinsam zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen. Erst der Sonderfall in Finthen mit einer echten, eigenständig befahrbaren Erschließung des Hinterliegergrundstücks, wurde nach mehrjähriger, verwaltungsinterner Bearbeitung – ohne Abstimmung mit Stadtrat und Ortsbeirat – Ende 2007 zum Anlass genommen, rückwirkend bis 2005, nur noch Vorderlieger zu Gebühren heranzuziehen. Zur Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung wurde eine jahrzehntelang vergessene Widmung der „roten Wohnwege" zur Fahrrad- und Fußgängernutzung nachgeholt. So wurden die bis dahin rechtlos gewesenen Wohnwege zu Wegen minderen Ranges aufgewertet mit der fatalen Spaltung der Lerchenberger in eine „Zweiklassengesellschaft“. Die unnötigen und ungerechten Neuveranlagungen ab 2005 haben den Vorderliegern großen Schaden zugefügt, die Bewohner des Lerchenbergs in eine „Zweiklassenbürgerschaft“ geteilt und den langjährigen Rechtsfrieden in Lerchenberg erheblich gestört.
Damit wurde von der im Straßenreinigungsgesetz
ausdrücklich gegebenen Möglichkeit „neben den Eigentümern der an die Straße
angrenzenden Grundstücke auch die Hinterlieger durch Satzung
heranzuziehen" ohne Not abgewichen. In die Änderungen wurden, ebenfalls rückwirkend bis 2005,
erstmals auch Teile der Garagenhofanlieger in unterschiedlichster, nicht
nachvollziehbarer Weise, in die Gebührenpflicht einbezogen.
Der Vorsitzende Richter des VG Mainz hat in der
Verhandlung das lebensfremde Urteil des OVG kritisiert und erklärt, gegen die
eigene Überzeugung diesem Urteil folgen zu müssen. Diese Rechtsprechung ist
keineswegs klar. Der BGH hat ganz anders entschieden. Auch haben die beiden
Vertreter der Stadt im Verfahren die Unverträglichkeit eingeräumt und eine
politische Lösung angeregt.
Ungelöst ist die Sondersituation der Garagenhöfe. Hier
kann schon deshalb nicht nach Vorder- und Hinterliegern unterschieden werden,
weil die Garagen gar nicht von der Straße erschlossen werden sondern von den im
Gemeineigentum stehenden Garagenhöfen. Entsprechend sind die Höfe auch im
Grundbuch als Gemeineigentum eingetragen. Diese Situation hat die Stadt bei der
Reihenfolge der Vergabe der Hausnummern berücksichtigt und in der Reihenfolge
der Hausnummern Lücken gelassen, die sich exakt mit den als nicht
differenzierbare Einheit definierten Garagenhöfen erklären. Auch führt die
Anordnung von Häusern und Garagen zu unlösbaren Unverträglichkeiten. So gibt es
Wohnwege-Häuserreihen, denen keine Garagen vorangestellt wurden. Deren Garagen
finden sich dann vor einer fremden Häuserreihe. In der jetzigen Form der
Kehrveranlagung wird der Vorderlieger ohne vorangestellte Garage durch die
Grenzstrecke seines Wohngrundstücks als auch der Garage belastet. Der
Eigentümer aber, dem eine Garagenanlage vorangestellt wurde, braucht für sein
Wohngrundstück gar nichts oder je nach zufälliger Lage seiner Garage allenfalls
2 Garagenmeter zu zahlen. Dieses Gerechtigkeitsproblem stellte sich bis zur
geänderten Handhabung nicht, weil die Garagen bisher bei der Kostenverteilung
übersprungen und nur die Wohngrundstücke berücksichtigt wurden.
Die Vorgaben im Landesstraßengesetz
stehen einer Korrektur der Kehrsatzung nicht entgegen. In einem
Fernsehinterview wurde von der Landesregierung kein Grund für eine Gesetzesänderung
gesehen sondern darauf hingewiesen, dass die volle Regelungskompetenz bei der
Stadt liegt. Eine Konkretisierungsverantwortung läge dadurch bei der Stadt und
gehöre in die Straßenreinigungssatzung.
Verwunderlich ist, dass der Punkt „Lösung" des Sachstandsberichts
der Verwaltung sich nur auf die Reinigungsfrequenz bezieht, nicht aber auf die
gerechte Kostenverteilung. Dass die Reinigungsfrequenz wegen des nur minimalen
Schmutzanfalls reduziert werden kann, beweist die Tatsache, dass das Kehrauto
weithin nur „Patrouille“ an geparkten Autos vorbei fährt, ohne dass das
unterbliebene Kehren eine erkennbare Verschmutzung begünstigt.
Zur nicht am Bedarf orientierten, überzogenen
Reinigungshäufigkeit argumentiert die Stadt, eine große Kehreinheit vorhalten zu
müssen, um dem Rosenmontagszug und dem Johannisfest usw. gewachsen zu sein. Es
kann aber nicht Aufgabe der Lerchenberger sein, „Kehrpatrouillenfahrten“ an
geparkten Fahrzeugen vorbei zwecks innerstädtischem Vorsorgebedarf oder aus
arbeitsmarktpolitischen Gründen zu finanzieren, während andere Mainzer nicht in
Anspruch genommen werden. Auch wird der Zeitspanne des Laubfalls eine besondere
Bedeutung beigemessen, dies aber nur auf den Straßen und nicht auf den viel
stärker von Laubfall und Überwuchs betroffenen „Roten Wegen" und das nicht
in anderen Stadtteilen wie z.B. ganz oder teilweise in Marienborn, Drais,
Ebersheim usw.