Betreff
Beitritt zum Bündnis zur Einführung einer Vermögensteuer (DIE LINKE.)
Vorlage
0467/2013
Aktenzeichen
1304
Art
Antrag (Stadtrat)

Begründung:

 

Eine Gemeinde darf sich nicht überschulden. Sie ist überschuldet, wenn in der Bilanz ein „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ auszuweisen ist.

(§ 93 Abs. 6 GemO Rheinland-Pfalz)

 

Mainz ist überschuldet. Einem Eigenkapital von ca. 950 Millionen Euro stehen Verbindlichkeiten von ca. 1,2 Milliarden Euro gegenüber. Eine Haushaltssperre ist verhängt. Weitere Kreditaufnahmen sind zwingend erforderlich, um laufende Geschäfte erfüllen und unumgänglichen Sanierungsstau (Rathausanierung/Neubau, sozialer Wohnungsbau u. v. m.) abbauen zu können. Nach wie vor wird mit jedem Haushaltsbeschluss eine Neuverschuldung ausgewiesen. Mit dem Einstieg unserer Kommune in den Kommunalen Entschuldungsfonds alleine sind die Probleme nicht zu lösen. Die Menschen in unserer Stadt zahlen für politische Fehlentscheidungen der letzten Jahrzehnte. Dabei spielen die Einkommen der Geschröpften kaum eine Rolle. Hundesteuer, Grundsteuer, Abgaben und Gebühren – alle Einwohnerinnen und Einwohner werden zur Kasse gebeten.

 

Die wirtschaftliche und damit steuerliche Leistungsfähigkeit hängt aber nicht allein vom Einkommen ab, sondern auch vom Vermögen, über das die Steuerpflichtigen verfügen. Die Einnahmen aus den vermögensbezogenen Steuern – dazu zählen insbesondere Grund-, Vermögen-, Erbschaftsteuern – betragen in Deutschland gerade einmal 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist weniger als die Hälfte des Durchschnitts der entwickelten Länder.

 

Die Vermögensteuer, die in Deutschland seit 1997 nicht mehr erhoben wird, soll deshalb auf reformierter Grundlage wieder erhoben werden. Dabei werden realistische und aktuelle Immobilienwerte zu Grunde gelegt. Zugleich werden ausreichend hohe Freibeträge vorgesehen, so dass die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen, die über selbstgenutztes Wohneigentum und weitere Ersparnisse etwa zur Altersvorsorge verfügt, nicht betroffen ist. Bei einem Freibetrag von 500.000 Euro je Haushalt und einem Steuersatz von einem Prozent auf das den Freibetrag übersteigende Vermögen wird nach neuen Schätzungen des DIW aus dem Jahr 2002 ein Aufkommen von jährlich 15 Milliarden Euro erzielt. Aufgrund der seitdem fortgeschrittenen Konzentration großer Vermögen halten wir heute ein Aufkommen von 20 Milliarden Euro für möglich und anstrebenswert.

 

Die Erhebung einer Vermögensteuer ist in Artikel 106 des Grundgesetzes ausdrücklich vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte 1995 die damals erhobene Vermögensteuer für verfassungswidrig, weil Grund- und Immobilienvermögen gegenüber anderen Vermögensarten ungerechtfertigt günstiger behandelt wurde. Die Bundesregierung ließ die Vermögensteuer daraufhin 1996 auslaufen, anstatt eine verfassungsgemäße Reform in die Wege zu leiten.

Durch die an Verkehrswerten orientierte Neubewertung von Immobilien würde den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genüge getan. Der von einigen angeführte „Halbteilungsgrundsatz“, nach dem die Einkommen nur so hoch besteuert werden dürften, dass mindestens die Hälfte beim Steuerpflichtigen verbliebe, steht der Vermögensteuer dagegen nicht im Wege. Mittlerweile hat 2006 auch das Bundesverfassungsgerichtfestgestellt, dass dieser Satz keine Wirkung hat. Einer Wiedereinführung einer reformierten Vermögensteuer steht verfassungsrechtlich nichts im Wege.

Die Vermögensteuer führt zu mehr Steuergerechtigkeit. Die vermögensteuerpflichtigen Haushalte verfügen ganz überwiegend zugleich über ein hohes oder sehr hohes Einkommen. Die Reichtumsverteilung wird gerechter gestaltet. Nur knapp drei Millionen Steuerpflichtige sind betroffen – bei knapp 40 Millionen Haushalten und über 80 Millionen Menschen. Eine Anrechnung der Vermögensteuer auf die Einkommensteuer schwächt dagegen das Aufkommen und schont die Reichen und Superreichen.

Die Kosten für die Erhebung der Vermögensteuer liegen nach Schätzungen von Landesregierungen (Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg) bei fünf Prozent. Im Vergleich zu den Kosten von zwei Prozent bei der Einkommensteuer und angesichts des hohen Aufkommens ist das vertretbar.

Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die Vermögenden Einbußen durch die Finanzmarktkrise bereits weitestgehend wieder ausgeglichen haben und die großen Vermögen weiter wachsen. Auf der anderen Seite haben die Wirtschaftskrise und die Rettungs- und Konjunkturpakete die Verschuldung der öffentlichen Haushalte auf neue Rekordhöhen getrieben. Es ist mehr als angemessen, die Reichen, deren Vermögen durch die Rettungspakete vor viel größeren Verlusten bewahrt wurden, in besonderer Weise zur Finanzierung der Krisenfolgen heranzuziehen.

Die zunehmende Polarisierung der Vermögensverteilung, riesige Anlage suchende Finanzvermögen einerseits, wachsende Verschuldung vieler privater Haushalte und der Staaten andererseits, ist zudem eine wichtige Ursache der Spekulationsblasen und Finanzkrisen. Daraus ergibt sich eine weitere Begründung für eine hohe Vermögensbesteuerung, die Umverteilungswirkungen erzielt.

 

Aus diesen Gründen ist es für die Stadt Mainz zwingend notwendig, dem Bündnis „Vermögensteuer jetzt“ beizutreten und damit eine sozial verträgliche Konsolidierung des eigenen Haushalts zu befördern.

 

Weitere Begründung erfolgt mündlich.

 

 

 

 

 

 

Dieter Hofem

16.03.2013/13:30 h