Betreff
Urbane Strategien zur Bewältigung der negativen Folgen des Klimawandels (ödp)
Vorlage
1745/2012
Art
Antrag (Stadtrat)

Begründung:

Bezug nehmend auf eine Empfehlung des Deutschen Städtetags hin, sollte sich die Stadt Mainz eingehend damit beschäftigen, wie die Bevölkerung vor den Folgen des Klimawandels geschützt werden kann. Statt der bislang im Klimaschutzbeirat praktizierten Einzelbetrachtung verschiedener Aspekte, sollte anhand konkreter Fragestellungen eine übergreifende Gesamtstrategie erarbeitet werden.

Selbst wenn es gelingt, das Ziel, die Erwärmung bei  einer Erhöhung um 2°C zu stoppen, werden auch in Deutschland die ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen des Klimawandels in Zukunft immer stärker zu spüren sein. Bereits seit einigen Jahren erhöhen vermehrt auftretende sommerliche Hitzewellen, die mit Dürre, Wasserknappheit und Waldbrandgefahr einhergehen sowie Wetterextreme, die Hochwasser- und Sturmschäden mit sich bringen, den Anpassungsdruck auf Mensch und Natur.

Die hohe bauliche Dichte einer modernen Stadt trägt zwar zur Reduktion von klimarelevanten Emissionen bei (durch kurze Verkehrswege, geringen Flächenverbrauch, etc.) Sie bedeutet aber gleichzeitig hohe Schadensfolgen für Menschen, Tiere, Pflanzen, Sachvermögen als auch für die Betriebsfähigkeit von Infrastrukturnetzen durch extreme Witterungsereignisse und weist geringere „Anpassungs“-Potenziale auf. Erhöhungen mittlerer Tagestemperaturen oder häufige Hitzewellen stellen erhebliche gesundheitliche Belastungen für Menschen sogar mit potenzieller Todesfolge dar. Für die nächsten Jahrzehnte werden immer häufiger Ereignisse wie z.B. die 14-tägige Hitzewelle in 2003 erwartet, die laut einer von der EU finanzierten Studie insgesamt 70.000 Menschen in 12 europäischen Städten das Leben kostete. In Städten sind diese Auswirkungen nicht nur wegen der höheren Bevölkerungsdichte, sondern auch wegen der dichteren Bebauung und damit besonders starken Ausprägung des Wärmeinseleffektes besonders hoch.

Eine nächtliche Wärmespeicherung durch Baumassen und fehlende Grüngürtel beeinträchtigt notwendige physische und in der Folge auch psychische Entlastungszustände. Überwiegend versiegelte und wenig begrünte Flächen, wärmespeichernde und wärmereflektierende Fassaden und dazu die Abwärme von Klimaanlagen schaffen Stadträume, die im Sommer die Atmosphäre von Backöfen verbreiten. Große zusammenhängende steinerne Flächen, die ohne Schatten der prallen Sonne ausgesetzt sind,  können an der Oberfläche Temperaturen von 60 bis 70 Grad erreichen. Sie speichern außerdem die Wärme in der Nacht, wenn ungenügende Frischluftschneisen und mangelnde Kaltluftentstehungsgebiete eine ausreichende nächtliche Abkühlung verhindern.

Infrastrukturnetze – insbesondere die der Entsorgung – erfordern bei Starkregenereignissen ausreichende Rückhalte- und Staumöglichkeiten unter- und oberirdischer Art ebenso wie natürliche Retentionsräume. Die Verletzlichkeit von Netzinfrastrukturen der Entwässerung, aber auch der Versorgung und des Verkehrs wird im Falle des Nichthandelns zu einer Achillesferse der Stadt. Als Beispiel sei ein Starkregenereignis in Kopenhagen aufgeführt. Am 2. Juli 2011 gingen innerhalb von zwei Stunden mehr als 150mm Regen nieder. Allein die Versicherungsschäden wurden auf 650-700 Mio. Euro geschätzt.

Verhinderung bzw. Beseitigung von Hitzeinseln in der Innenstadt, die als Aufenthaltsräume nicht mehr angenommen werden und vielmehr die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Bewohner als auch der Arbeitnehmer negativ beeinflussen,  die Schaffung ausreichender Frischluftkorridore und insbesondere Kaltluftentstehungsbereiche, städtebauliche Planungen, die hinreichend Grünflächen mit großen Bäumen vorsehen, Maßnahmen zum Schutz überschwemmungsgefährdeter und grundwassernaher Stadtbereiche, Anpassung der Netzinfrastruktur, Maßnahmen zum Schutz besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen, z.B. bei der Planung und Positionierung von Pflegeheimen, als auch die Koordination von Klimaschutz im Sinne von Vermeidung klimarelevanter Emissionen und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels sind nur einige der Themen, die auf der Agenda des Klimaschutzbeirates stehen sollten.

Da man eine Stadt nicht in wenigen Jahren umbauen kann, muss Mainz sich schon frühzeitig auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten. Die Klimaanpassung berührt alle Belange einer nachhaltigen Stadtentwicklung, so dass ganzheitliche Konzepte erforderlich sind, die fester Bestandteil eines Masterplans werden müssen. Der Schutz des Stadtklimas ist eine zentrale Zielsetzung, um gesunde Lebensbedingungen in der Stadt zu sichern. Die Folgen des Nichthandelns werden weit schwerer wiegen als die Kosten einer fürsorglichen Planung.

Es ist daher ein Gebot der langfristig angelegten, planerischen Vorsorge, die physische Infrastruktur schon jetzt an die langfristigen Folgen des Klimawandels anzupassen. Das Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden vom 22. Juli 2011 (BGBl. I Nr. 39, vom 29. Juli 2011, S. 1509) sieht u.a. vor, dass „den Erfordernissen des Klimaschutzes (…) sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen, Rechnung getragen werden soll“.

 

 

Weitere Begründung erfolgt mündlich.